Das Kreuz mit der Vertraulichkeit

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Für Asset Manager und Transaktionsberater ist Diskretion unverzichtbar. Um sie zu sichern, werden bei Immobilientransaktionen lange Vertraulichkeitserklärungen aufgesetzt. Ob die zeitraubenden Vertragspapiere sinnvoll sind, ist allerdings zweifelhaft.

von Morten Hahn, Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Lübke & Kelber GmbH

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„Ich erzähle dir jetzt ein Geheimnis. Aber verrate es keinem, sonst bist du nicht mehr mein Freund!“ – das Prinzip der Vertraulichkeit kennen die meisten Menschen aus der frühesten Kindheit. Auch in der Immobilienwelt gehört Diskretion zum A und O, vor allem für Asset Manager und Transaktionsberater. Aber weil in der Erwachsenenwelt nur wenig ohne einen Vertrag funktioniert, setzen die Geschäftspartner vor Beginn ihrer Zusammenarbeit eine Vertraulichkeitserklärung auf. Dabei handelt es sich um ein seitenlanges Dokument, das nicht nur festlegt, welcher Akteur welchem Beteiligten wann etwas mitteilen darf, sondern was überhaupt eine Information ist, und was Vertraulichkeit eigentlich bedeutet.

Meiner Meinung nach ein ziemlich ulkiges Verfahren, denn einerseits ist die Quintessenz einer Vertraulichkeitserklärung nicht sehr viel mehr als das, was im Sandkasten oder auf dem Schulhof abgesprochen wird. Andererseits ist die Immobilienbranche ausgezeichnet vernetzt, weshalb früher oder später ohnehin jeder von einer bevorstehenden Transaktion erfährt.

Neben der Qualität seiner Arbeit gehört eine tadellose Reputation zum wichtigsten Kapital eines Immobiliendienstleisters. Eine grob fahrlässige Weitergabe von Informationen sorgt zu Recht dafür, dass dem betreffenden Unternehmen schnell ein schlechtes Image anhaftet und sich die involvierten Personen in Misskredit bringen. Verschwiegenheit gehört zum common sense. Jedwede Vertraulichkeitserklärung ist also Makulatur – eine Beschäftigungsmaßnahme für Anwälte, die dafür ein paar Extra-Stunden abrechnen dürfen. Oftmals geschieht es, dass einer der gut zwei Dutzend Punkte unabsichtlich verletzt wird. Zum Beispiel, indem ein Asset-Manager vergisst, den Auftraggeber pro forma zu benachrichtigen, wenn eine notwendige Information an einen in die Transaktion involvierten Berater weitergegeben wird. Das sorgt dafür, dass eine Strafzahlung zumindest theoretisch im Raum steht. Diese wäre genauso frustrierend wie unnötig und noch dazu finanziell nicht unerheblich. Ein Dokument, das die beidseitige vertrauensvolle Zusammenarbeit untermauern soll, wird so zum Zankapfel.

Was also tun – die Vertraulichkeitserklärungen abschaffen? Eine schöne Idee, aber utopisch. Obwohl in der Immobilienbranche alles möglichst schnell und unkompliziert ablaufen soll, hängen die Akteure doch heimlich an ihrem Vertragspapier. Die Verträge vereinfachen? Ich sehe schon jetzt die ganzen Zuschriften der Juristen vor mir, die mir erklären, warum das nicht geht. Also lautet mein Rat: Augen zu und durch. Aufsetzen, durchlesen (optional), unterschreiben. Und sich danach wieder den wichtigen Tagespunkten zuwenden.

Dieser Beitrag erschien bereits in Die Immobilie, Ausgabe 08/2017.

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