Teure Wissenslücken

- Allgemein

Wer häufig Transaktionen begleitet, kann ein Lied davon singen: Erst im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung durch den Käufer kommen Defizite bei den angebotenen Objekten ans Licht. Die folgenden Beispiele zeigen, wie massiv und kostspielig diese Altlasten sein können.

von Morten Hahn, Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Lübke & Kelber GmbH

Bei einem äußerst stattlichen Bürohaus in Frankfurt am Main werden erhebliche Mängel beim Brandschutz festgestellt. Die vorgeschriebene Öffnungsbreite für den Einstieg der Feuer­wehr durch die Fenster ist nicht eingehalten worden. Ein Nachweis über den Einbau schwer entflammbarer Materialien in den Verkehrsflächen fehlt, Feuerschutztüren haben keine Kennzeichnungen oder fehlen komplett, Brandabschnitte wurden durch nachträgliche Verbindungen geöffnet, Flucht­wege fehlen. Kostenschätzung: mehrere Millionen. Oder das Bürogebäude aus den 1970er-Jahren, bei dem im Rahmen der Konversion in ein Wohnhaus plötzlich Asbest gefunden wird – sowohl in den Fassadenelementen als auch in den Verkleidungen von Leitungen und Stahlträgern. Die Kosten zu schätzen, war zunächst niemand bereit.

In einem Freiburger Geschäftshaus werden, wie schon so häufig, in der Tiefgarage erhebliche Belastungen durch Chloride festgestellt, welche die Stahlarmierung des Betons angreifen und häufig eine Totalsanierung erfordern. Die Kostenschätzungen liegen zwischen zehn und 15 Prozent des angestrebten Verkaufspreises.

Fehlende Bescheinigungen bei Transaktionen

Bei einer Kölner Wohnanlage fehlt die brandschutztechnische Abnahmebescheinigung – und kann auch nicht ohne weiteres erteilt werden, obwohl die Gebäude erst vor wenigen Jahren errichtet wurden. Der Zeitverzug beträgt mindestens ein Jahr. Bei einer äußerst attraktiven Bürovilla in Leipzig wird festgestellt, dass das Grundstück überhaupt nicht erschlossen ist. Für den genutzten Zugang über das Nachbargrundstück besteht kein dingliches Recht. Ähnlich ist die Situation bei einem Bürohaus im Rhein-Main-Gebiet: Die Tiefgaragenzufahrt erfolgt ohne grundbuchliche Absicherung über das Nachbar­grundstück. Kosten und Zeitverzug sind kaum abschätzbar.
Für einen Baumarkt in Norddeutschland ist die Baugeneh­migung nicht mehr aufzutreiben. Ein Fachmarktzentrum in Hessen wurde nicht gemäß der erteilten Baugenehmigung errichtet, und bei einem Bürohaus in Dresden übersteigt die tatsächliche die genehmigte Fläche. Und, und, und …

Die Folgen solcher Defizite sind entweder klare Absagen durch den Investor oder massive Kürzungen der Preise, die dann oft wiederum zur Absage des Verkäufers führen. Zwischenzeitlich wurde sehr viel Geld verbrannt und viel, viel Zeit. Und dies, obwohl die Ver­weilzeiten von Objekten heute viel kürzer sind und viele Objekte erst vor einem überschaubaren Zeitraum er­worben wurden. Dies zumeist ebenfalls auf Basis einer erfolgten Due Diligence. Da drängt sich die Frage auf, ob das tat­sächlich so sein muss.

Kalt erwischt

Natürlich ist nicht jeder Verkäufer völlig überrascht von den festgestellten Män­geln, und es mag den einen oder anderen geben, der hofft, sie würden gar nicht entdeckt. Aber die Mehrzahl der Verkäufer wird ziemlich kalt erwischt. Gerade im institutionellen Sektor bleibt das nicht folgenlos. Fondsmanager müssen ihre Prognosen ändern und die den Anlegern avisierten Verkaufsziele können bei weitem nicht mehr erreicht werden. Die Ursachen sind fast überall gleich. Zum einen genügt die Qualität des As­set-Managements häufig nicht den komplexen Anforderungen und zum anderen werden Transaktionen häufig nur unzureichend und unter Zeitdruck vorbereitet. Viele Asset-Manager arbei­ten heutzutage stets am Rande ihrer Kapazität. Kosteneinsparungen, Out­sourcing, starker Wettbewerb und per­sonelle Schwierigkeiten sorgen für er­schreckende Defizite bei der Kenntnis der gesteuerten Bestände. Nicht selten passiert es, dass wichtige Informatio­nen in irgendwelchen Aktenkartons vermodern, anstatt ihren Platz in mo­dernen Datenbanken zu finden. Zu­ständigkeitswechsel bewirken immer wieder, dass Wissen verloren geht.

Transaktionsbereich und Verwaltungseinheit arbeiten meistens organisatorisch völlig getrennt. Gelegentlich führt schon der Wunsch nach einer korrekten und aktuellen Mieterliste zur puren Verzweiflung. Das wirkt sich dann auch bei der Vorbereitung der Transaktionsprozesse aus. Datenräume zu erstellen ist immer schwierig, wenn viele Informationen noch feh­len. Deshalb wird mit ihrer Erstellung häufig erst weit nach Prozessstart begonnen. Da sind sowohl die internen Erlösziele als auch die Zieleinschätzung des Transak­tionsberaters schon gelaufen, obwohl der Überblick über alle Stärken und Schwä­chen längst noch nicht vorliegt. Denn der wird dem Verkäufer erst vom potenziel­len Investor vorgeführt – mit dessen Kostenschätzung und Bewertung. Und der üblen Folge, dass ein seriöser Verkäufer andere Investoren über die aufgedeckten Mängel von vornherein informieren sollte.

Eine frühere Beseitigung vieler Mängel durch den Verkäufer ist erfahrungsgemäß deutlich günstiger als die Preisabschläge des Investors. Da kann es trösten, dass aktuell viele Abschläge aufgrund der massiven lnvestorennachfrage durch entspre­chende Zusatzprämien kompensiert werden. Aber das wird nicht so bleiben.

Dieser Beitrag erschien bereits im Immobilienmanager, Ausgabe 08/2017.

Nächster Beitrag